Juli 2019
Wer hier öfter mal liest weiß dass ich Sprinter gelegentlich Geschenke mache. Geschenke in Form von Touren die mir sonst im Leben nicht einfallen würden.
Die „Telegramme“ ist so ein Geschenk. Entdeckt wurde sie von Sprinter als wir die „Voie de dalles“ kletterten. Am drittletzten Stand sieht man nämlich hinüber auf die „Telegramme“, genauer gesagt auf die sehr exponierte Kaminlänge. Nichts, was in mir ein spontanes „ich will!“ - Gefühl auslöst, im Gegensatz zu Sprinter.
Nach dem üblichen Abstieg gehen wir an den feinen Touren vorbei, auf einem Stein steht schließlich unsere Tour angeschrieben, jedoch nicht als Einstieg sondern als Wegweiser. Nun geht es nämlich noch ein paar Meter ein felsiges Band hinauf (ganz leichte Kletterei) bis wir dann wirklich beim Einstieg sind.
Die erste Länge als schwerste: leicht überhängende Querung (freu...), recht gut abgesichert zum A0en.
Die Stelle ist ein Klacks für Sprinter, danach wird er aber deutlich langsamer. Es dauert lange bis er Stand hat, wahnsinnig viel Seil ist auch nicht mehr übrig. Ich vermute dass er schon in einem Kamin steckt, die Kommunikation ist nämlich gelinde gesagt schwierig. Ich steige mal nach und prompt stehe ich vor dem Problem dass ich mich nicht mehr aushängen kann. Können schon, aber wenn ich dann nicht gleich einen anständigen Griff erwische hänge ich in der Luft. Mein Hades – Trauma schlägt wieder zu, ewig hänge ich da und mache mir das Leben schwer. Dass ich Zuschauer auf der gegenüberliegenden Schluchtseite habe macht es auch nicht besser. Sprinter schreit irgendwas, ich verstehe kein Wort. Super.
Erst als es mir wirklich zu blöd wird fasse ich mir ein Herz und komme irgendwie über die Stelle. Sehr viel besser wird es danach auch nicht, die erste Länge ist eindeutig die brüchigste. Tatsächlich endet die Länge in einem Kamin, zumindest der Stand ist bequem. Sprinter bietet an abzubrechen, was ich nicht will. Immerhin war das die schwerste Länge, also werden die anderen wohl auch zu schaffen sein.
Weiter geht’s also, den Kamin hinauf. Glatt, steil und sehr mager abgesichert. Mein Mantra „irgendwie nach oben“ hilft mir ungemein, ich bilde mir nicht ein hier große Strecken frei klettern zu können, deswegen frustriert es mich auch nicht dass es tatsächlich so ist. Außerdem bin ich in einem Kamin, Zuschauer ausgeschlossen, also was solls.
Der nächste Stand, wieder sehr bequem, mitten im Kaminsystem und daher schön schattig. Nächste Länge: Kamin mit anschließender Querung. Dass ich mich mal auf eine Querung freue.... aber ich habe genug Kamin, zu steil und glatt, und was hier 5c sein soll... fühlt sich alles sehr nach 6-irgendwas an.
Nach der verhältnismäßig leichten Querung (Verdon halt) komme ich zum sehr ausgesetzten Stand. Ich vermeide zu viel Blickkontakt mit der Tiefe hinter mir, stur schaue ich nach oben zur Verschneidung in der Sprinter jetzt langsam nach oben klettert.
Ungern wiederhole ich mich, aber auch diese Länge ist sehr steil, mit einer Tendenz zum überhängen. Immerhin findet sich hier der ein oder andere Griff. Der nächste Stand ist extrem unbequem. Ausgesetzt und unbequem, nicht unbedingt meine Lieblingsattribute für einen Stand.
Diese Länge, die 5., startet mit einer glatten kurzen Querung, dann geht es auf einen Pfeiler. Man sollte möglichst schnell auf den Pfeiler wechseln, die kaminartige Rinne daneben schaut nur so aus als wäre sie gut zu klettern. Auf dem Pfeiler angelangt wird es nun endlich mal eine Spur leichter. Bis zum nächsten Stand schaffe ich es tatsächlich mal „richtig“ zu klettern.
Und jetzt haben wir sogar wieder einen passablen Stand in einer Höhle. Praktisch, da wir mittlerweile in der Sonne sind.
Die 6. Länge wird mein Favorit: ganz kurz (einen halben Meter) schwerer an einer Schuppe hinauf, dann schöne Kletterei entlang eines nicht sehr steilen Pfeilers.
Jetzt sind wir beim Stand unmittelbar neben der „Voie de dalles“. Eine Verbindungslänge führt hinüber nach rechts zum Felsabschnitt mit Kamin. Alternativ könnte man hier in die Voie de dalles wechseln (über die Rinne). Das tun wir natürlich nicht, genau wegen dieser Kaminlänge sind wir schließlich hier.
Zu meiner Ehrenrettung: die Verbindungslänge steige ich vor....
Vorletzte Länge, Kamin: ein paar Meter hinüber, dann hinunter(!), dann in den Kamin und hinauf.
Sogar Sprinter ist erstaunt wie glatt und unvermutet schwer die Länge startet. Bis er die erste Sicherung im Kamin einhängen kann kommt er ziemlich ins Schwitzen. Dann wirds offensichtlich besser, der Fels strukturierter und weniger glatt.
Ich steige nach und gelange fast souverän zur ersten Kaminsicherung. Tipp für schwächere Nachsteiger: die erste Sanduhr im Kamin ordentlich verlängern – nach der Querung gar nicht erst nach unten sondern möglichst gleich zur Verlängerung hangeln. Nach oben hin wird es tatsächlich leichter und fast okay zu klettern.
Wir residieren nun auf dem Pfeilerkopf, es folgt die Schlusswand die ich eigentlich, fast traditionell, vorsteigen wollte. Aber irgendwie bin ich skeptisch weil mir die Bewertung in der Tour schon sehr seltsam vorkommt.
Also wieder Sprinter. Vom Pfeilerkopf geht es erst ca 20 Meter in leichterem Gelände zur Ausstiegswand. Wir machen da noch eine Länge draus und direkt unter der Wand Stand.
Die Schlusswand: abschüssige glatte Minirampen, nur ein paar Meter und ich bin heilfroh nicht vorgestiegen zu sein. Diese 5a ist um Längen schwerer als die 5b in der „Arete du Belvedere“.
Oben. Oben!
Rückweg: sogar die paar Meter zur Mauer hin sind schwerer als in den anderen Touren und mit Kletterstellen.
Fluchtmöglichkeit: spätestens nach der 2. Länge sollte man sich entscheiden: weiter oder nicht? Hier kann man noch halbwegs okay abseilen (Sicherungen einhängen), danach ist das eher nicht ratsam. Oben dann Fluchtmöglichkeit wie beschrieben über die Voie de dalles. Achtung: die Stände sind mit alten Petzl – Ringhaken versichert. Allein schon aus diesem Grund würde ich abseilen von weiter oben vermeiden.
Fazit: Schwere Tour die ganz klar zeigt wie in Verdon bewertet wird: Kamine, Risse, Verschneidungen – diese Längen würden in einem anderen Gebiet wohl ganz anders bewertet werden. Die ersten 4 Längen sind durchweg steil, schwer und nicht so abgesichert dass man sich großartig nach oben schwindeln kann. Die 6c Stelle am Anfang ist verglichen damit ein Witz.
Oben gibt es dann für zwei Längen schöne Kletterstellen, dann kommt der finale Kamin der zu Beginn wirklich unglaublich unsympathisch ist. Eine Tour für Kletterer die mit Kaminen umgehen können und ein ordentliches Niveau haben.
Fazit-Sprinter: Kaltstart mit der schwersten Länge gleich am Anfang. Die 6c-Passage ist eine überhängende Querung an Seituntergriffen – geil! Danach ist diese Länge dann ein Stück „knusprig“ und endet im Kamin – noch unter dem großen Klemmblock. Danach geht’s im Kamin weiter und unter dem Dach rechts raus an eine herrliche Schuppe. Richtig steil geht es weiter zum superbequemen Stand mit dem Loch im Boden. Dann wieder Kamin-Verschneidung und rechts raus in den grauen Bereich. Die nächste Länge zieht dann an Rissen recht steil den Pfeiler rauf. Der letzte Kamin glänzt am Anfang mit unglaublich glatter Felsstruktur. Nach 2 Metern hat man aber das Schlimmste hinter sich. Vor dem Pfeilerkopf ist ein kleiner Friend sehr nützlich – sonst hat man gute Chancen im Falle eines Abgangs die kompletter Länge noch mal zu besichtigen. Die letzte Länge hat eine kurze, aber um so mehr besch... Einzelstelle und ist wesentlich schwerer als es den Eindruck macht.
Auf jeden Fall eine Tour für Alpinisten. Die Art der Kletterei, die Bewertung, die Absicherung und auch die Linie wird den reinen Sportkletterer nicht begeistern. Für mich eindeutig die eindrucksvollste Tour unseres Urlaubs.
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