Juli 2021
An unserem Abreisetag ist ab 15 Uhr Regen gemeldet. Man sieht, unsere Tourenplanung ist heuer extrem schwierig. So viele Dinge müssen berücksichtigt werden. Wann scheint die Sonne (ist schlecht in Verdon), wann regnet´s (ist immer schlecht), was ist für mich konditionell machbar (wenig, scheint´s), was klettertechnisch möglich (wenig, zumindest aktuell, zumindest in Verdon) und was liegt auf unserer Rückreiseroute?
Die „Offre“ erfüllt zumindest auf den ersten Blick einige Kriterien, und dann heißt sie auch noch so verheißungsvoll („Das Angebot“). Die machen wir.
Ein alter (1969) Klassiker, das bedeutet, die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen und auch auf entsprechende Politur stellen wir uns ein.
Der „Zustieg“ ist recht witzig. Man nehme das zweite Fenster vom ersten Tunnel des Schluchtenweges „Blanc – Martel“, ausgehend vom Couloir Samson und steige durch dieses ins Freie. Dann steht man eigentlich eh schon beim Einstieg.
Fein.
Netterweise startet die Tour leicht, mit einer 4 die recht alpin anmutet, kaum Sicherungen aber eben auch nicht sehr schwer.
Dann eine anfangs steile, aber griffreiche 5b, die nur auf den letzten zwei Metern, hinauf auf einen Sockel, schwerer ist.
Dann: die Querung, wie üblich meine Angstlänge. Geht aber ganz gut, zumindest am Anfang, gegen Ende wird sie ein bisschen komisch weil nach unten drängend, sie ist aber gut abgesichert.
Bis jetzt hält sich die Politur in Grenzen, aber in Länge 4, einer ziemlich steilen 6a, merkt man dann tatsächlich dass diese Tour schon über ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat. Denkt man sich den Glibber weg ist es aber eine coole Länge.
Nun kommt eine Rampenlänge, 5, nicht wirklich schwer, nett zu klettern, mit ein paar botanischen Einlagen.
Bis jetzt wars eigentlich ganz gut, aber man soll die Tour nicht vor der Schlüssellänge loben (oder so), und die hat´s ja mal echt in sich. Erst eine glibberige Rampe, und dann glibberig, griff- und sicherungsarm und auch noch steil nach oben. Respekt, Sprinter (er hat sich aber auch ziemlich geplagt)!
Ende der Schwierigkeiten, sagt das Topo. Die immer dichter werdenden Wolken stressen mich jetzt nicht mehr, eine 4er und zwei Fünferlängen haben wir nur noch.
Die 4er Länge – lang, viele Grüneinlagen, leicht, spulen wir routiniert ab.
Dann die erste 5er Länge. 5 superior, steht im Topo, okay. Klingt natürlich toller als ein banales 5+, und erst im Nachstieg erkenne ich den feinen Unterschied zwischen einer „5+“ und „5 superior“. Eine 5+ Verschneidung wäre nämlich ziemlich cool zu klettern. Diese 5 superior – Verschneidung ist… nicht cool. Wieder steil. Und soo glibschig. Man spürt förmlich den Angstschweiß den hier hunderte von Seilschaften hinterlassen haben. Und die Sicherungen scheinen den Sanierern hier auch so allmählich ausgegangen zu sein.
Beruhigenderweise ist die allerletzte Länge eine „5 inferior“, also eine 5-, und das ist gut so.
Abstieg: vom Ausstieg noch ein paar Meter zum Gipfel und dann den Pfadspuren und Steinmännern bis zur Abzweigung folgen. Laut Beschreibung nimmt man hier den (in Abstiegsrichtung) rechten Steig, der linke würde wahrscheinlich hinunter und in einer Riesenschleife den Fahrweg hinab zum Couloir Samson führen. Im Nachhinein muss ich sagen: wenn man die Abzweigung verpasst und nach links geht – nicht so schlimm. Nicht schlimmer jedenfalls als die rechte Variante. Erst auf gut sichtbarem Steig hinunter, dann ist der Steig plötzlich weg. Eine Mure hat ihn ausradiert, und in Folge haben sämtliche Absteiger ihre eigenen Varianten kreiert. Gut ist, dass offensichtlich alle irgendwann wieder auf dem ursprünglichen Steig gelandet sind, so a la „alle Wege führen nach Rom“. Wenn es regnet (tut´s zum Glück erst später) ist dieser Abstieg definitiv nicht empfehlenswert. Einmal seilen wir wieder an wegen einer Felsstufe (nach oben), mehr als einmal stehen wir ziemlich ausgesetzt und ziemlich plötzlich auf dem Felsband vor dem Abgrund bis wir dann tatsächlich wieder auf dem Hauptsteg sind (und wir sind beide ziemlich erleichtert). In einigen Schlaufen geht es nach unten, bis zum Schluchtengrund, und wieder nach oben, und wieder nach unten…. Bis wir endlich endlich kurz vor dem Tunneleingang wieder auf den Blanc – Martel treffen. Mühsam.
Fazit: eine der tollsten Touren die ich in Verdon geklettert bin. Wie toll muss die erst vor so 30 Jahren gewesen sein als die Politur noch dezent war? Hauptschwierigkeiten liegen tatsächlich in ebendieser. Die „Offre“ ist abwechslungsreich und meist passabel abgesichert, und der Zustieg ist wirklich nobel. Nur der Abstieg ist ein kleiner Wehrmutstropfen. Für gute und vor allem glibschresistente Kletterer aber absolut empfehlenswert!
Fazit Sprinter: ein Klassiker wie er im Buche steht. Die Absicherung reicht von naja bis super. Gleiches beim Fels. Der Glibsch ist in der sechsten (?) Länge am Ende (ein Riss bzw. Schuppe) ein Hammer. Obwohl dies schon im Schatten war und die Temperatur O.K. waren diese Meter echt richtig übel zu klettern. In der restlichen Tour fand ich es noch ganz O.K.
Den Unterschied zwischen 5 sub und 5 inf (vorletzte bzw. letzte Länge) scheint im Verdon riesig zu sein .... die recht lange und auch steile Verschneidung klettert sich super - geschenkt ist die Läge allerdings wirklich nicht. Dafür ist die letzte Länge nach den ersten paar Metern dann echt nur mehr Genuss.
Abstieg: fehlt teilweise ... im Schlusshang (sobald man den Wendeplatz am Ende der Straße sieht) eher links halten.
Trotz des Glibsch insgesamt eine sehr lohnende Tour.
Topo: unter anderem im Kletterführer "52 years and 520 routes in Verdon"