„Scharnitzspitze Direkte Südwand – Spitzenstätter / Baldauf“, 8 SL, 7

September 2019

In der heurigen Klettersaison schaffen wir es irgendwie nicht richtig in Schwung zu kommen was die Tiroler Klettergebiete angeht. Da gäbe es eine lange Liste an Projekten, aber nur der Geist ist willig, das Fleisch (meines) hingegen leider schwach.

 

Damit die Zustiegskondition nicht komplett flöten geht überwinde ich mich zu dieser Tour. „Überwinden“ deshalb, weil ich den Zustieg kenne (irgendeine Tour haben wir da schon mal probiert), und der ist nicht ganz ohne.

Bis zur Wettersteinhütte bzw. Wangalm noch recht gemütlich, zum Gedenkstein auch noch okay, dann wird es Meter für Meter anstrengender. Bis zum Einstieg brauchen wir knapp drei Stunden, was gar nicht mal so außerhalb der Zeitvorgabe ist, anfühlen tut es sich als wären wir seit vielen Stunden unterwegs.

Traumhaftes Wetter, trotzdem sehen wir nur wenige Seilschaften und unsere Tour ist überhaupt menschenleer.

Starten tut das Ganze mit einem schrofigen Vorbau, wir seilen gleich an was Geschmackssache ist, ganz verkehrt fühlt es sich aber nicht an. Steile Wiesen und einiges an brüchigem Gestein gilt es zu überwinden bis wir beim eigentlichen Einstieg sind.

Die erste Länge ist... eine erste Länge halt. „Nur“ 4 aber gewöhnungsbedürftig, recht steil, leicht abdrängend und nicht überall bombenfester Fels.

Was die Tour extrem sympathisch macht: nach den beiden ersten Längen kommt die Schlüsselseillänge, danach wird es Länge für Länge leichter.

Man kann sich also noch voller Elan auf den 7er stürzen und das sollte man auch. Bis zum ersten Bolt noch relativ einfach, man hangelt sich an einer Schuppe entlang. Hier sollte man nicht viel nachdenken sondern einfach TUN, sonst pumpen bald mal die Arme. Nach dem Bolt noch kurz queren und dann nach oben. Wieder mal rätselhaft für mich wie man DAS vorsteigen kann. Ich steige nach und brauche trotzdem Sprinters ganze Unterstützung um nach oben zu kommen. Steil, glatt, keine wirklichen Griffe, nur ein Riss in den ich nicht mal meinen kleinen Finger hineinbekomme. Nach ein paar Zügen wird es leichter, es kommt eine Art Verschneidung. Am Ende dann links (nichts rechts!) zum Stand.

Cool die nächste Länge: eine beeindruckende Hangelschuppe entlang (nicht wild), leicht nach unten und dann wieder nach oben in eine Verschneidung mir vielen Griffen und Tritten und leider auch vielen nassen Stellen.

Am Stand angekommen sehen wir zwei Jungs in unsere Tour einsteigen. Den Vorbau sind sie seilfrei gegangen – das deutet entweder auf Leichtsinn oder Routine hin. Noch bin ich locker, glaube kaum dass sie uns noch einholen (es macht mich immer nervös wenn Seilschaften direkt hinter mir sind).

Weiter geht’s, knifflig nach oben und dann nach links, die Sicherungen werden weniger und die Orientierung kurz schwieriger. Alles in allem aber schon deutlich leichter als die letzten zwei Längen.

Die Jungs sind verdammt flott, tatsächlich schon am Stand hinter uns, aber es wird immer leichter und wir haben nur mehr drei Längen. Leicht und lang, so ist die 6. Länge, außerdem wieder brüchiger.

Siebte Länge: spannend, erst nach oben zu einer Kaminverschneidung die sich leichter klettert als befürchtet, dann auf einen kleinen Pfeiler und ein paar Meter Schrofen zum Stand. Der erste der Jungs hat uns jetzt auch eingeholt.... Sprinter ist aber schon weiter, zielstrebig Richtung Gipfel. Interessant die ersten Meter, eine Hangelquerung Richtung Kamin (komisch und nicht ganz leicht), dann ist es nur mehr eine Spielerei, leichter Kamin und dann hinauf zum Grat und Ausstieg.

 

Abstieg: nur Minuten nach uns sind die zwei Jungs ebenfalls am Gipfel. Auf die Frage ob sie den Abstieg kennen kommt „Nein, aber soll einfach sein“. Und schon sind sie dahin...

Ich schaue mich mal um. Na ja. Ich bin nicht ganz überzeugt von „einfach“, und wir bleiben vorerst angeseilt. Eine Rinne abklettern (2?), dann hinüber zum nächsten Gipfelchen (Steinmänner), seichte Rinne hinauf, rechts hinüber, dann nach unten Richtung Abseilstand. Kein wahnsinnig schwieriges Klettergelände, aber brüchig und keinesfalls sollte man hier stolpern. Abseilen, abklettern und dann auf einem Steig Richtung Scharte wo der Sammelabseiler ist. 3x abseilen (60m Einfachseil reicht leicht) und wir sind am Wandfuß. Vom Gipfel bis zum Parkplatz brauchen wir insgesamt drei Stunden.

 

Fazit: tolle Gegend und interessante Tour, aber durchaus auch anstrengend. Die Tour ist ein Pause – Klassiker der saniert wurde. Man sieht immer mal wieder Normalhaken stecken - es ist absolut beeindruckend was früher alpinistisch geleistet wurde!

Die Absicherung ist trotz Sanierung nicht üppig, in leichteren Längen muss man auch ein bisschen Gespür für den Verlauf haben. Wie viel man außerhalb der Tour sichern soll (Schrofenzustieg und Abstieg) ist Ansichtssache, mein Sicherheitsbedürfnis verlangte hier eindeutig nach Seil.

Abgesehen von der Schlüsselseillänge sind die Schwierigkeiten einigermaßen ok, überbewertet ist die Tour aber nicht.

 

Fazit Sprinter: ein maßvoll sanierter Klassiker, wobei nun ein technisches „drüberschwindeln“ in der Schlüsselseillänge nicht mehr möglich ist. Die Normalhaken wurden entfernt … ist wahrscheinlich auch nicht unbedingt das sinnvollste … aber die Sanierung ist ansonsten sehr gut gemacht. Sehr empfehlenswert ist ein kleines Sortiment an Friends bis zur mittleren Größe. Die Kletterei ist in den ersten Längen mal erfrischend steil und meist sehr fest. Beim Abstieg ist es die ersten Meter durchaus sinnvoll, bis in die erste Scharte (also die ersten 50 m) am laufenden Seil zu gehen. Sehr schöne Tour in traumhafter Umgebung. P.S.: wer am letzten Parkplatz parkt kann nach dem Abstieg noch fast 2 km „ausjoggen“.

 

Topo: z.B. bergauf.jimdo.com