"Plattenzauber", Hintere Platteinspitze, Lechtaler Alpen, 20 SL, 6+

August 2017
Den Plattenzauber klettern wir im 2. Versuch. Beim ersten Mal (etwa ein Jahr davor), verliefen wir uns beim Zustieg und waren erst nach mühseligen 2 Stunden genervt (ich) und nervös (Sprinter) am Einstieg. Der Einstieg in einer feucht – kalten Schlucht demotivierte uns zusätzlich, und nachdem wir für die erste Länge bereits eine gefühlte Ewigkeit brauchten und Sprinter in der 2. Länge irgendwie nicht weiterkam(kurze glatt – plattige Stelle) seilten wir hier auch wieder ab.

Aber wie es eben so ist mit angefangenen Touren – der Plattenzauber stand auf unserer Projektliste und im August 2017 passt dann alles: ein freier Tag, ausnahmsweise stabiles Wetter vorhergesagt, und die Tage noch lange genug um ein solches Vorhaben im Hellen umzusetzen.

Diesmal übernachten wir direkt am Parkplatz vor der Latschenhütte und sparen uns so schon mal ein Stunde Fahrzeit. Um 7 Uhr früh starten wir, fast romantisch, in der aufgehenden Sonne, und sind nach einer knappen Stunde am Einstieg. Vor uns bereits ein motiviertes Kletterpärchen aus Deutschland, knapp hinter uns ein etwas nörgeliges älteres Paar aus Südtirol.
Wie durch ein Wunder ist die Reihenfolge perfekt – das deutsche Paar ist einen Hauch schneller als wir, die Nörgler bei weitem langsamer, so kann jeder ungestört klettern

Die Querung in der ersten Länge, die mir bersten Mal recht anspruchsvoll vorgekommen ist, klettert sich fast von selbst, und Sprinter, angespornt von der flotten Seilschaft vor uns, macht seinem Namen alle Ehre und tänzelt die folgenden Längen förmlich dahin.

Normalerweise zähle ich bei langen Touren die Längen im Geiste mit, so a la „noch 8 Längen, noch 6 Längen, noch 5….“ aber diesmal ist die Kletterei so entspannt, dass ich bei Sprinters Bemerkung „So, das war jetzt also die 15.“ fast ein bisschen ungläubig bin.

Kurzum: der Plattenzauber ist dermaßen Genuss, dass jede Länge weniger schade wäre. Ok, fast, denn die 17., 18. und 19. SL kann und sollte man sich sparen: erst ein grauslig -  anstrengender Quergang, dann leichte Kletterei und schließlich Abstieg in eine Rinne durch bröseliges Gestein. Hier würde ich definitiv die Abkürzung empfehlen. Die Tour gilt auch so!

Die letzte Seillänge ist dann recht einfach, allerdings auch fast ohne Sicherungen, und dann kommt endlich der Moment: Schuhe ausziehenJ! Nach 20 Seillängen definitiv auch Genuss pur!

 

Abstieg:  Der Ausstieg ist nie das Ende – vor allem nicht in Alpintouren! Denn nun folgt noch der Aufstieg zum Gipfel. Ehrlich, ich hasse es, wenn nach dem Ausstieg noch ein Aufstieg folgt! Warum kann man, vor allem nach 20 Seillängen, nicht einfach OBEN sein?!?

Die 180 Höhenmeter ziehen sich… wir brauchen fast 45 Minuten. (Zugegeben, wir machen uns jetzt keinen Stress mehr.) Der Gipfelaufstieg fordert noch mal ein bisschen Moral, zwar selten ausgesetzt doch unversichert und immer wieder mit interessanten Tiefblicken.

Hat man endlich das Gipfelkreuz der Hinteren Plattein erreicht, kann man zu Recht stolz auf sich sein. Ich bin es jedenfalls!

Nun geht es endlich abwärts. Der Abstieg ist gut markiert und zwar steil, aber nicht ausgesetzt. Vom Gipfel bis zur Latschenhütte brauchen wir nochmal gute zwei Stunden. Die Abstiege rund um den Muttekopf finde ich generell eher anstrengend, in diesem Fall ist es erst felsiges Gipfelgelände, dann eine Schotterreise hinunter und schließlich auf steilen Steigen zurück zum Auto. Man sollte also optimalerweise nach dem letzten Klettermeter noch einige Kraftreserven in den Beinen haben.

 

Fazit: Eine absolut empfehlenswerte Tour für alle die es gern lang mögen und die anstrengende Zu- und Abstiege nicht fürchten! Das war übrigens die erste lange Tour die wir, ohne Wechselführung, in der vorgegebenen Zeit geschafft haben! Und meine erste offizielle „Long Line“!  Die Tour wird nach oben hin etwas schwerer, speziell die 16. Länge fordert noch mal richtig. Obwohl großteils 5. Grad, sollte zumindest der Vorsteiger noch ordentlich Luft nach oben haben. Die Absicherung ist perfekt, die Wegfindung dementsprechend einfach. Lange Tage und stabile Wetterlage sind hier Pflicht, die Mitnahme einer Stirnlampe kann trotzdem nicht schaden.

 

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