August 2020
Mit Sicherheit das frustrierenste Erlebnis unserer Schweizreise.
Es beginnt schon damit dass wir am Vorabend mit unserem WoMo nur mehr eine abschüssige Parkmöglichkeit finden. Wir wollen nahe dem Sidelenbach parken, und weil wir nur längs parken können sind unsere Möglichkeiten beschränkt. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht dass man auch in einem stehenden Auto seekrank werden kann. Wir stehen so schief dass Sprinter mithilfe von zwei Klappstühlen eine Absperrung an unserem Bett anbringt damit wir nächtens nicht rausrutschen.
Ich bin zum ersten Mal froh dass wir morgens früh starten. Die Tour ist nicht lang , aber wir wollen stress- und möglichst staufrei klettern.
Wir starten also früh und sind eine Stunde später bei der Sidelenhütte. Der Weg dorthin ist okay, zwar stetig steiler werdend und weiter als es von unten aussieht, aber als Morgensport akzeptabel.
Von der Sidelenhütte geht es jetzt durch Blockgelände nach oben. Die Markierungen sind perfekt, wahrscheinlich weil dies auch der Abstieg vom Schildkrötengrat ist. Wir müssen ganz hinauf um dann auf der Rückseite Richtung Gross Bielenhorn zu queren. Schneefelder, Blockgelände, Schneefelder, aber auch das ist okay.
Am Einstieg sind wir immer noch nicht, jetzt geht es nach oben, Kletterei im schätzungsweise 1. und 2. Grad. Der Grat selber hat nur ein paar Längen, kein Wunder, nach diesem Zustieg ist man eigentlich schon fast oben.
Weil die Steinmänner hier eine verwirrende Anzahl erreichen gehen wir zuerst falsch und landen beim Ende der zweiten Abseilmöglichkeit wo bereits einige Kletterer sind. Anscheinend sind für Nachmittag Gewitter gemeldet und sie treten den Rückzug an (es ist 10 Uhr).
Durch diesen Umweg verlieren wir zwar nur ein paar Minuten, leider aber ein paar Minuten zu viel. Mittlerweile ist uns nämlich ein Trupp Jung – Alpinisten (angehende Bergführer???) auf den Fersen. Noch während ich mich am Einstieg herrichte überrollen sie uns förmlich; weil sie mit Bergschuhen klettern und das kurze Seil schon für den Zustieg verwendet haben sehen sie offensichtlich keine Notwendigkeit groß darauf zu warten bis wir die erste Seillänge beendet haben. Es sind etwa 9 oder 10 Leute, 4 Seilschaften, die alle zugleich losklettern. Nachdem ich beim Nachsteigen mehrmals fast Bergschuhe im Gesicht und auf den Fingern habe geben wir uns geschlagen und lassen die Meute vorbeiziehen. Der letzte , ein junger Bursche, bedankt sich sehr höflich fürs Vorbeilassen, aber am liebsten würde ich ihm sagen DASS WIR DAS NICHT FREIWILLIG MACHEN!!!!
Wir warten also bis sich das Kuddelmuddel lichtet. Und das dauert. Sooo leicht ist der Grat nämlich auch nicht, und die dritte Seillänge ist, mit Bergschuhen geklettert, offensichtlich doch eine Aufgabe. Außerdem praktiziert die Gruppe eine Form des am kurzen Seil - Gehens die mir bis dato unbekannt war und macht so ungefähr alle 15 Meter Stand.
Ehrlich gesagt, ich koche vor Wut, was zum Glück niemandem auffällt weil ich mutterseelenallein am ersten Stand stehe, und das eine gute halbe Stunde lang.
Eine gefühlte Ewigkeit später haben alle die dritte Länge (eine der schwersten) geschafft und auch wir dürfen jetzt endlich klettern. Die Kletterei ist übrigens gut und macht Spaß, wenn auch nur kurz. Nachdem ich nämlich ebenfalls die dritte Länge hinter mir habe (eine kurze etwas steilere Passage mit Rissen) und Sprinter die nächste Länge vorgestiegen ist kommt Bewegung in den Kletterwurm vor uns. Leider nicht nach vorne sondern nach unten. Gewitterwolken rücken bedrohlich näher und der höfliche Bursche von vorhin ruft uns zu dass uns das Gewitter in 30 Minuten erreichen wird. Es ist schon beeindruckend wenn vier Seilschaften sich synchron zum Abseilen bereit machen, und wer will schon auf einem Grat in 3000 Meter Höhe in ein Gewitter geraten? Außerdem sind es Einheimische, und die werden wohl wissen wie so eine Gewitterwolke zu deuten ist.
Ich bestehe darauf ebenfalls abzuseilen, was Sprinter sehr gegen den Strich geht, aber da beißt er bei mir auf Granit.
Abseilen kann man nach der 3. Länge, für den zweiten Abseiler ist ein Doppelseil notwendig. Man landet mehr oder weniger wieder beim Einstieg.
Der Abstieg ist dann wie der Zustieg, nur etwas weniger ambitioniert unsererseits. Dass es dann bis in den späten Nachmittag schön bleibt und kein einziger Regentropfen vom Himmel fällt macht es irgendwie auch nicht besser,
Fazit: Warum man als quasi 10er – Seilschaft einer 2er – Seilschaft nicht einfach den (gerechtfertigten) Vortritt lässt – keine Ahnung! Schade um den Grat, der sicherlich ein tolles Erlebnis gewesen wäre. Da Zu- und Abstieg aufwändiger sind als der Grat selbst ist so etwas doppelt ärgerlich. Es ist wahrscheinlich von Vorteil, solch populäre Ziele unter der Woche anzupeilen um zumindest etwas weniger Betrieb zu haben.
Der Zustieg ist mühsam aber nicht schwierig, sehr gutes Schuhwerk vorausgesetzt. Ich würde zudem ein Doppelseil empfehlen um auch für ungeplante Abseiler gewappnet zu sein.
Fazit-Sprinter: die Jungs sind, wenn sie groß sind, bestens als Führer fürs Matterhorn geeignet. Unsympathisch genug verhalten können sie schon. Schade um den Tag!
Topo: eine gute Beschreibung gibt’s hier